SUBLIME VIELFALT

SUBLIME VIELFALT

Vermutlich gab es im Libanon bereits Wein, bevor die Phönizier 3000 v. Chr. das Land besiedelten. Bis heute spielt er eine wichtige kulturelle und wirtschaftliche Rolle.

Topographisch betrachtet ist der Libanon ein 225 Kilometer langer Küstenstreifen, dessen durchschnittliche Breite nicht mehr als 62 Kilometer beträgt und sich an manchen Stellen über 3000 Meter in die Höhe schraubt. In manchen Frühjahren kann man morgens auf dem Schnee der Libanongebirge und nachmittags auf dem Wasser des Mittelmeers Ski fahren. Der Norden und der Osten grenzen an Syrien. Wo das Land im Westen zuverlässig im Mittelmeer versinkt, bleibt die Grenze zu Israel im Süden bis heute eine vage Angelegenheit.

Als Sammelbecken diversifizierter Kulturen und Religionen ist der Libanon brisanter Brennpunkt von Orient und Okzident und zugleich sein wertvoller Schmelztiegel. Wer ihn bereist, ist immer auch auf den Spuren der Phönizier, Ägypter, Hethiter, Griechen, Perser, Römer, Araber, Kreuzritter, Türken, Franzosen. Mitte des 19. Jahrhunderts siedelten sich französische Jesuitenmönche an den Ausläufern des Libanongebirges an und brachten den Weinbau mit ihrer Expertise entscheidend voran. Sie waren es auch, die französische Rebsorten wie Cinsault, Carignan oder Cabernet Sauvignon in das Land brachten.

Nach der Niederlage der Achsenmächte im ersten Weltkrieg wurde das Land aus dem Osmanischen Reich herausgelöst und stand bis zu seiner Unabhängigkeit 1943 unter französischem Mandat. Der kulturelle Austausch dieser Zeit wirkt bis in die heutige Zeit nach. Der Libanon ist ein Französisch-Arabisch-Phönizien, in dem 18 unterschiedliche Religionsgemeinschaften meist friedlich mit- und nebeneinander leben. Wenn Burkaträgerinnen neben Frauen in High Heels und Mädchen in kurzen Röcken gleichzeitig die Straße überqueren, entstehen jedenfalls keine ernsthaften Konflikte mehr.

Der Libanon ist ein Französisch-Arabisch-Phönizien, in dem 18 unterschiedliche Religionsgemeinschaften meist friedlich mit- und nebeneinander leben.

.

Von einer gerade aufblühenden Weinindustrie waren nach dem Bürgerkrieg gerade einmal drei Güter übrig. Heute sind es wieder rund 50. Einige siedelten sich in Gegenden an, wo seit den Phöniziern ohne Unterbrechung Wein angebaut wurde. Bis der Krieg die Winzer dazu zwang, ihre reifen Trauben an den Stöcken zurückzulassen. Weinberge wurden verwüstet. Ganze Landstriche verwaisten. Die letzten Kilometer zur Domaine De Baal führen über eine unbefestigte Schotterpiste. Beton-Ruinen stehen der schroffen Landschaft surreal entgegen. Aus hastig eingegossenen Betonwänden grüßen rostige Stahlarmierungen. Eine schiefe Betontreppe führt geschosslos ins Nichts.

»Brachliegende Flächen sind hier nicht viel wert«, sagt Sebastien Khoury, »um den Preis in die Höhe zu treiben, errichtet man eben jene Alibi-Häuser«. Die freilich nie zu Ende gebaut werden, aber das Land gründlich verschandeln und teurer machen würden. Sieben Jahre verbrachte Khoury im Bordeaux, wo er nicht nur als Geschäftsmann Karriere machte, sondern auch sein Weinwissen erwarb. »Nein, studiert habe ich das Fach nicht«, sagt er, »aber ich kannte die richtigen Leute, die mir die richtigen Sachen beigebracht haben.« 2006 gründete Khoury die Domaine De Baal. »Es hat sich viel getan seitdem«, sagt er und zeigt auf schlangenlinienförmige Weinberge, die von Trockenmauern gestützt werden. »Vor dem Krieg hat der Terrassenweinbau diese Landschaft geprägt. Ihn wiederaufzurichten ist aller Mühen wert.« Und er ist notwendig, denn um das lose Kalkgeröll abgehen zu lassen, braucht es hier nicht viel.

Khourys Weine gehören gewiss zu den elegantesten und aufregendsten der neuen Winzer-Avantgarde im Libanon. Sein einziger Weißwein ist eine Cuvée aus Sauvignon und Chardonnay, dem ein filigraner Holzeinfluss delikat zu Gesicht steht. Wer im Libanon frische Weißweine ohne Aufsäuerung erzeugen will, muss mit seinen Reben hoch hinaus. 1300 Meter sind es bei Khoury im Schnitt. Aber es geht auch noch höher. Wahre Meisterschaft beweist Khoury bei seiner Tête de Cuvée »Domaine de Baal«, die zu großen Teilen aus Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon besteht, ergänzt mit etwas Merlot und Syrah. Khoury lässt die Trauben bisweilen mit Stiel und Stängel vergären. Das sorge für mehr Frische und Biss, sagt er. Nach rund 18 Monaten Reife in zumeist gebrauchten französischen Barriques wird der Wein ohne Schönung und Filtration abgefüllt. Eine Delikatesse, die filigrane und kraftvolle Eigenschaften auf köstliche Art und Weise sublimiert.

Khourys Weine gehören zu den elegantesten der neuen Winzer-Avantgarde im Libanon

Seine Trauben lässt er bisweilen mit Stiel und Stängel vergären. Das sorge für mehr Frische und Biss, sagt er.

  • Domaine de Baaal

    Domaine de Baaal

  • Terrassen-Weinbau Domaine de Baal

    Terrassen-Weinbau Domaine de Baal

  • Beton-Ruine

    Beton-Ruine

  • Blick auf Bekaa-Ebene

    Blick auf Bekaa-Ebene

  • Sebastien Khoury

    Sebastien Khoury

Merken

Merken

Merken

Was den Libanon so gewaltig erscheinen lässt, sind seine Berge, auf denen man sich quasi ständig bewegt. An der Küste steigt von Norden nach Süden bald das Libanongebirge empor, während sich das des Anti-Libanon von Nordosten nach Südwesten erstreckt. Die benachbarten Berge schützen das Land vor dem Steppenklima Syriens und dem salzig-feuchten Einfluss des Mittelmeers. Ihnen verdankt der Libanon seine Fruchtbarkeit, auch seinen Wein.

Nach Süden und Norden geht es über den Coastal Highway, während der Damascus Highway die Ost-West-Schiene beschickt. Auf dem geht es Richtung Bekaa-Ebene. Mitten hindurch Libanons Gemüse- und Obstkammer schlägt sich eine bestens asphaltierte Straße durch das üppige Kulturland. Auf durchschnittlich 1000 Höhenmetern wachsen hier Wein, Melonen, Oliven, Gurken, Erbsen, Zwiebeln. Eigentlich alles. Und natürlich auch Cannabis, dessen Anbau allerdings illegal ist.

Noch, denn der Rote Libanese genießt nicht nur bei den Connaisseurs des gepflegten Rausches einen exzellenten Ruf, sondern gewinnt auch in der Schmerztherapie zunehmend an Bedeutung. In Wein und Cannabis lege die Zukunft, daran glauben jene Libanesen, die es wissen müssen, weil sie beides in hoher Güte probiert haben.

Legale Viktualien indes bieten Händler im Verlauf der gesamten Hochebene feil. Kürbisse, Melonen oder Kartoffeln sind kunstvoll aufgetürmt oder stehen in losen Säcken an den Straßenrändern, wo alte Nippon-Lastwagen parken. Liebesschwüre in kunstvoll geschwungenen Schriftformen und Zedernbäume in detailreich geschmückten Bildern bleiben auf unabsehbare Zeit die Nummer Eins bei den Verzierungen der patriotisch aufgeladenen Brummis. Andernorts für schrottreif befunden, geben sich unzählige Lieferwagen aus deutschen Landen eher pragmatisch, wenn sie von Türen und Heckscheiben als »Rolf-Wagner-Elektroanlagen« oder »Maler Spindel« ihre ehemaligen Besitzer aus der Ferne grüßen.

Es hat sich ein reger Handel mit Ersatzteilen entwickelt, aus denen mitunter abenteuerliche Fahrgeschäfte zusammengeschweißt werden: vorne Benz und hinten Ford. Auf den Höfen der Werkstätten türmen sich Kühlerhauben, Kotflügel und Türen jeglicher Couleur. Die Elite setzt auf SUVs mit verdunkelten Scheiben. Da der öffentliche Nahverkehr mehr Sport ist, als dass er einen zuverlässigen Transport von A nach B gewährleistet, gibt es im Libanon keine ernsthafte Alternative zum Auto. Das einst gut ausgebaute Schienennetz ist nach dem Bürgerkrieg nie instandgesetzt worden. Hie und da tauchen seine Reste als ein paar Meter Gleise aus dem Berggeröll auf, ziehen rostrote Fäden über kalkweißen Grund.

Die Recherchereise wurde von schöner saufen.com iniitiert und von Veranstaltern und Weingütern unterstützt.

This is a unique website which will require a more modern browser to work!

Please upgrade today!