AUSFAHRT BRUCHSAL

Wer vom Norden Deutschlands über die Schweiz in den Süden fährt, kommt an Bruchsal vorbei. Das ist doch schon mal praktisch, zumal die Autobahn an dieser Stelle ohnehin gerne verstopft ist. Also empfiehlt es sich, die gleichnamige Ausfahrt zu nehmen und dem Weingut Klumpp einen Besuch abzustatten. Dem weniger weinbewanderten Urlauber sei gesagt, dass er sich in einem nördlichen Bereich der Weinbauregion Baden befindet. Der nennt sich Kraichgau, und ist selbst bei Profizechern selten im Gespräch. Woher auch? Die Erde besteht hier meist aus Keuper oder Löss und schwingt sich als angehende Nulllinie durch die Landschaft. Weingüter sind hier rar gesät. Man setzt großflächig auf Kartoffeln, Zuckerrüben und Tabak. Für Familie Klumpp hat sich die Absenz spektakulärer Weinberge und delikater Konkurrenz als vorteilhaft erwiesen. Wenn sie Ende April an zwei Tagen wieder zu ihrem »Offenen Keller« einladen, blockieren Fahrzeuge aus der gesamten Republik kilometerlang die Randstreifen: stadtein- und stadtauswärts.

Markus Klumpp ist jetzt 38 Jahre alt und kann mit dem Erreichten sehr zufrieden sein. Dass er das ist, merkt man ihm an. Klumpp weiß mit seinen Gästen umzugehen, weil er sie einschätzen kann. Seitdem er 2004 die Verantwortung für den Keller übernahm, hat sich eine Menge getan. 2010 stieg auch sein jüngerer Bruder voll in das kleine Unternehmen ein. Nach mehrjähriger Bauphase ist im letzten Jahr aus einem Aussiedlerhof ein veritables Weingut entstanden. So modern und hervorstechend, dass man gerne an dem futuristischen Gebäude mit mediterranem Flair vorbeifährt, weil sich die Wahrnehmung, wenn sie Bruchsal einmal erreicht hat, dieser landschaftlichen Nulllinie anpasst und das Weingut Klumpp dabei schlicht ausklammert.

Wer Klumpp besuchen möchte, sollte also Bruchsal schnell vergessen, sonst bekommt unser Hirn das nicht als passendes Bild zusammen. Umgekehrt gilt das natürlich auch. Wie auch immer. Die Eltern von Markus Klumpp waren natürlich Quereinsteiger, als sie 1983 hier ein Weingut gründeten. Im Kraichgau, dem Wein-Niemandsland in Baden, wo Tabak und Software als harte Währung gelten – und der Wein fast nichts. Wennschon dennschon, haben sich Ulrich und Marietta Klumpp wohl gedacht und stellten ihre gesamte Rebfläche bereits 1996 auf ökologische Bewirtschaftung um.

Der Kraichgau vereint Pfälzer Frische mit Badischem SchmelzMarkus Klumpp

Dass die beiden über einen guten Weinsinn verfügen, beweist die Tatsache, dass alte Reben weiter im Bestand blieben und nicht etwa durch sogenannte Piwis (pilzwiderstandsfähige Rebsorten) ersetzt wurden. Dass der Auxerrois heute für so etwas wie Identität im kleinen Kraichgau sorgt, ist den Klumpps zu verdanken. Seit über 50 Jahren halten sie den ältesten Reben die Stange.

Wer auf der riesigen Terrasse des Weinguts steht, wird Straße und Häuser rasch ausblenden. Die sanfte Hügellandschaft erlaubt einen Blick bis weit hinein in die Pfalz. Da fällt es schwer, mit Leib und Seele in Baden zu sein. »Pfälzer Frische mit badischem Schmelz«, beschreibt Markus Klumpp den Geschmack seiner Weine, was sicher nicht falsch ist, aber irgendwie auch alles bedeuten kann. Wer sie probiert, wird sicherlich auch nicht als erstes an ein bestimmtes Terroir denken. Vielmehr scheint das sensible Feintuning im Keller ausschlaggebend für ihren Charakter zu sein.

Eine lange Reife auf der Vollhefe oder die Mischung von Barriques und Tonneaus etwa. Dafür hat Markus Klumpp ein sehr feines Händchen entwickelt. Durchaus auch kostspielig in seiner Umsetzung. Wo der Auxerrois bei den Weißweinen als Spezialität gelten darf, ist es bei den Roten der Lemberger, den man bei den Klumpps auch aus marktstrategischen Gründen Blaufränkisch nennt. Durchaus berechtigt obendrein, denn der Klon kommt aus Österreich und der Wein meist pfefferwürzig und den besten der Alpenrepublik gleich, nicht fett, sondern wunderbar straff daher. Wer das einmal erkannt hat, wird nicht nur Bruchsal längst vergessen haben. Die Autobahn, der Weg gen Süden: Geschenkt.