MIT LEIB UND SEELE BORDERLINER
Johannes Jülg gelingen Jahr für Jahr bessere Weine. Kein Wunder, hinter ihm steht eine Familie, die zusammensteht
Wo auf der Speisenkarte »Rippchen warm mit Kraut« zu lesen ist, liegen sich später Fleisch und Kraut als zwei gleichstarke Fronten gegenüber. Die Ankündigung darf also unbedingt wörtlich verstanden werden. Ein handgeschnitztes Tomatenröschen auf einem Salatblatt oder ein Stängel krauser Petersilie als grünes Bäumchen ins Kraut gesteckt, und der Karte wäre nicht mehr zu trauen. In der Weinstube Jülg kommt nur zur Sprache, was später in tadelloser Qualität schnörkellos serviert wird.
Schnörkellose Beständigkeit
Das wird auch in Zukunft so bleiben, denn mit rund 80 Jahren Lebenserfahrung hat Oma Jülg nicht nur etwas Bleibendes geschaffen, sondern kümmert sich nach wie vor mit der Unterstützung ihrer Schwiegertochter um die Küche, ist Teil einer Beständigkeit in Schweigen-Rechtenbach, ihrer Heimat. Das kleine Örtchen an der Südlichen Weinstraße liegt an der Grenze zu Frankreich, hat beim Piefke zuweilen seine kulinarischen Spuren hinterlassen und besitzt einen hervorragenden Ruf für Spätburgunder. Die Reben der Rechtenbacher Winzer stehen meist zu etwa gleichen Teilen auf deutschem und französischem Territorium. Manche Spätburgunder-Lagen besitzen aus deutscher Sicht sogar Grand-Cru-Status.
Werner Jülg erkennt die Expertise seines Sohnes nicht nur an, sondern hat dessen finessenreichen Stil assimiliert
Wo gleicher Grund also von Winzern aus der Pfalz und dem Elsass bewirtschaftet wird, sollten sich doch Gemeinsamkeiten entwickelt haben. Das Gegenteil stimmt. In Seebach, wo Peter Jülg, der Onkel von Johannes Jülg, das kleine Weingut Maison Jülg betreibt, spielt der Spätburgunder fast gar keine Rolle. Wenn es darum geht, herauszufinden, welche Rebsorte, auf welchem Terrain ihre Trümpfe am besten ausspielt, enden die Erkenntnisse offenbar an der jeweiligen Landesgrenze. Da darf Peter Jülgs Sortenauswahl aus Gewürztraminer, Sylvaner und Riesling als repräsentativ für die elsässische Seite gelten, während die Pfälzer auf weiße und rote Burgunder setzen.
Erkenntnisse enden an der Landesgrenze
Peters Bruder Werner war erst 20, als er nach dem Tod des Vaters die Verantwortung für den Betrieb in Schweigen übernehmen musste. Ackerbau und Viehzucht waren in den achtziger Jahren bereits abgeschafft, das Weingut ins ehemalige Bayerische Forstamt übergesiedelt. Der Boden, den sein Sohn Johannes heute so erfolgreich bestellt, hat ihm sein Vater bereitet, der gerne zugibt, dass der Spätburgunder nie zu seinen Stärken gehörte. Ob das je ein Ansporn für den 30-Jährigen war, sei dahingestellt. Fest steht: Die Pinots von Jülg zählen heute zu den feinsten in Deutschland.
Die »Opus O«-Familie hat mit dem Jahrgang 2016 properen Nachwuchs bekommen
Der Vater erkennt die Expertise seines Sohnes nicht nur an, sondern hat dessen finessenreichen Stil assimiliert. Johannes und Werner Jülg wissen als Team ihre Kräfte zu bündeln, sei es bei der Zusammenstellung von Cuvées, bei Weinbergarbeiten, die keinen Aufschub dulden oder bei kommentierten Weinproben. Das Fass mit dem 2015er Chardonnay, der heute »Opus O« heißt, betörte Vater und Sohn gleichermaßen, behielt seine extravagante Art auch nach der Füllung und hinterließ im letzten Jahr bei den Falstaff-Verkostungen einen nachhaltigen Eindruck.
Weißburgunder und Sauvignon Blanc als »Opus O«
Mit Weißburgunder und Sauvignon Blanc bekommt die »Opus O«-Familie im Jahrgang 2016 nun properen Nachwuchs. Der Sauvignon hat gar das Zeug zum besten des Landes zu reifen. Dass die Speisenkarte übrigens bar jeden überflüssigen Wortes ist, mag auch Ausweis dieser charismatischen Familie sein, die man unbedingt beim Wort nehmen darf. Ein feiner Charakterzug.