EINFACH NUR SILVANER

EINFACH NUR SILVANER

Als besonders hartnäckig erweist sich das Geschmacksdiktat vom Franken-Silvaner. Doch die Renaissance eines großen Weißweins hat längst begonnen

Was allgemein über Wein kolportiert wird, besteht zum größten Teil aus Pauschalisierungen. Wenn die es einmal zu gewisser Verbreitung gebracht haben, werden sie zu Klischees, an denen kaum gerüttelt wird. Als besonders hartnäckig erweist sich das Geschmacksdiktat vom Franken-Silvaner. Es wird klaglos hingenommen, der Wein reglos austrunken. Franken-Silvaner, ein Wein ohne Leidenschaften? Da kann es dann am Ende gar nicht genügend Gegenbeispiele geben, damit die Sorte endlich ihr Langeweiler-Image aus milder Bekömmlichkeit loswird.

Wenn qualitative Tatsachen gegen tumbe Klischees nichts ausrichten können, handelt es sich offensichtlich um einen besonders schwierigen Fall. Das Problem ist hausgemacht. Wo der deutsche Riesling zeitgemäß auftritt, weltweit wieder höchste Anerkennung erfährt und sein Publikum gleichzeitig immer jünger wird, bemüht man beim Silvaner noch immer viel zu häufig uralte Klischees, die niemanden interessieren, der sich ernsthaft für Wein interessiert. Unaufhörlich drehen Handel und Kochheftchen die Gebetsmühle aus Verträglichkeit und milder Säure, die sich besonders gut in der Spargelzeit genügen.

Klaglos hingenommen, reglos ausgetrunken

Die Tage der bekömmlichen und breiten Silvaner sind aber gezählt. Grund dafür war vor allem der hohe Zuckergehalt bei gleichzeitiger Unreife der Beeren etwa durch allzu großzügige Düngung. Die Oechslegrade können im Herbst nämlich innerhalb weniger Tage noch einmal rasant ansteigen, was zwangsläufig zu mastigen Weine führt. Langeweile auf breiter Geschmacksfront. Hoher Alkohol ist aber nun nicht automatisch ein Ausschlusskriterium für delikate Silvaner, besitzen sie ausreichend Mineral, Extrakt und Säure, gerät die vermeintliche Wucht schnell zu schierer Kraft. Auch damit kann der Silvaner umgehen.

Man  hat in der Vergangenheit einiges mit dem Silvaner angestellt, um ihm ein zeitgemäßes Image zu verpassen. Am Ende spielte die Sorte fast keine Rolle mehr, war nur noch Nährstofflieferant für Hefen, die für möglichst tropische Frucht sorgten. Als ewig gestrige wurden jene Winzer belächelt, die ihre Weine auch weiterhin knochentrocken und ohne Flugmango-Aroma ausbauten. Dass sich der Silvaner heute schwerer als andere Sorten mit einem eindeutigen Profil tut, hat auch damit zu tun, dass man ihm bereits unzählige verpassen wollte.

Einfach nur Silvaner durfte er selten sein. Nun darf er es wieder

Einfach nur Silvaner durfte er selten sein. Nun darf er es wieder. In Franken hat sich vieles verändert – manches radikal, manches in überlegten Schritten. Die Vielfalt der Weine ist in den letzten Jahren umso größer geworden, desto weniger Einfluss ihre Winzer in Weinberg und Keller genommen haben. Dass man beim Ausbau der Weine nun häufig mit Betoneiern oder Amphoren experimentiert, hat nichts Rückschrittliches an sich, sondern ist allein der Erkenntnis geschuldet, dass Sauerstoffeinfluss und Gebindeformen die Individualität des Silvaners fördern können, während Kaltvergärung und Aromahefe ihn schablonisieren.

Der Boden gewinnt im Geschmack weiter an Boden

Da der Silvaner von Natur aus kein Wein mit besonders expressiver Frucht ist, kann er seine Stärken in jüngster Zeit nun auch immer häufiger ausspielen: Der Boden gewinnt im Geschmack weiter an Boden. Die Weine werden komplexer. Wer auf der Höhe der Zeit ist, weil ihm Klischees grundsätzlich schnuppe sind, trinkt Silvaner heutzutage auch nicht weil er Magenprobleme oder der Spargel gerade Saison hat. Er trinkt ihn, weil seine Definition von Bekömmlichkeit stets eine zweite Flasche im Kühlschrank bereithält. Das alte Klischee vom Franken-Silvaner hat deutliche Risse bekommen. Die Renaissance eines großen Weißweins hat längst begonnen.

Titelbild © DWI

überarbeitete Version aus Falstaff Weinguide 2016

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