AM TRULLO
Nico Espenschied zeigt sich bestens gerüstet, wenn sich Rheinhessen dazu entschließt, noch einen Zahn zuzulegen
Irgendwo stand einmal die Geschichte von einer Generation rheinhessischer Winzer, die nach einer Auszeit nach Hause zurückkehrten und ihren heimatlichen Weinberg mit einem Schlag neu entdeckten. Nico Espenschied ist jetzt 29 und hat schon so allerhand ausprobiert. Er sitzt bei strahlendem Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen im September auf einer Bank neben dem berühmten Flonheimer Trullo, und fast hat es den Anschein, als fühle er sich ein bisserl allein gelassen. »Das Nahetal lässt sich gerade noch durch die diesige Luft erkennen«, sagt er, »an klaren Tagen kann man herüber bis in den Rheingau zur Germania schauen.«
An vielen Winzern ist die Dynamik schlicht vorbeigegangen
Die Nahe, der Rheingau sind Regionen, die über ihre Lage im Großen und Ganzen nicht klagen können. Rheinhessen schon, trotz der Dynamik. An vielen ist die auch schlicht vorbeigegangen, war mehr Hörensagen. Viel passiert ist nicht. Hier oben am Trullo kommt es einem ein bisschen so vor. Espenschied weist immer wieder mit einer Mischung aus Sarkasmus und Wonne mit dem Finger auf »Kollegen« und erklärt, wie unnütz und überflüssig ihre Maßnahme zu diesem Zeitpunkt sei. Dass er sich über andere immer wieder echauffieren kann, hat nichts Herablassendes an sich, sondern zeigt, wie wichtig ihm seine Heimat ist, die von anderen schlicht ignoriert wird.
1971 trug man dieses Eldorado für Terroir-Winzer vorerst zu Grabe
Flonheim hat mittlerweile auch den letzten Vorhang aufgezogen und präsentiert sich als gigantisches Panorama mit einer auffallend vielgestaltigen Oberfläche, die wie Inseln in unterschiedlichen Größen, Gestalten und Farben das Bild dieser bewegten Landschaft malt. Wo sich vor 30 Millionen Jahren eine subtropische Meereslandschlaft ausbreitete, bestaunt man heute eine spektakuläre Naturlandschaft. Selbst mit größter Ignoranz geschlagen, lässt sich dieses bunte Vermächtnis nicht übersehen. 1971 trug man dieses Eldorado für Terroir-Winzer vorerst zu Grabe und verscharrte es auf einer Fläche von 240 Hektar mit dem Vermerk: »Binger Berg.« Wie es ein Beamter tatsächlich schaffte, die Lage »La Roche« von der Regelung auszunehmen, bleibt rätselhaft und macht die Sache nicht weniger skurril.
Dass Espenschied sich über andere immer wieder echauffieren kann, hat nichts Herablassendes an sich, sondern zeigt, wie wichtig ihm seine Heimat ist.
Der Jahrgang 2015 bescherte Espenschied Trauben von hoher Reife, deren Gerbstoffe im Wein zwar präsent sind, aber niemals überfordern.
Mit seinem deutlich rot schimmernden Terra Rossa-Böden sticht der »La Roche« deutlich aus der Landschaft hervor. Rotliegend gehört in manch anderer Gegend zum begehrtesten Terroir überhaupt. Dazu dieser Name: »La Roche«. Kann eine Vorlage steiler sein? Rund sieben, der nur 26 Hektar großen Lage, kann Espenschied heute sein eigen nennen, wovon der größte Teil mit Riesling bepflanzt ist. 70 Ar hat er gerade für Sauvignon Blanc reserviert. Warum Sauvignon? Gesine Roll (Weingut Weedenborn) habe es mit ihrem »Terra Rossa« vorgemacht, wie fantastisch dieser Boden zu dieser Sorte passe, sagt er.
Spleen für ertragsarme Klone
Espenschied hat einen Spleen für ertragsarme Klone auf schwachwüchsigen Unterlagen entwickelt. Besonders knickrig zeigt sich ein Saar-Klon aus der Lage »Schlangengraben« in Wiltingen. Von einem Behang kann man nicht wirklich sprechen, und die wenigen sichtbaren Träubchen sehen arg zerzaust aus. »Das sollen sie auch«, sagt Espenschied, »Trauben, die bei der Lese so aussehen, ergeben meine besten Weine.« Denen man unbedingt anmerkt, dass bei Espenschied Terroir auch am Gaumen Vorfahrt hat. Besonders beim Riesling gelingt ihm das sehr gut. Was keine Überraschung, aber in dieser Zuverlässigkeit bemerkenswert ist und seine Expertise im Umgang mit dieser Sorte zeigt. Espenschied jedenfalls zeigt sich bestens gerüstet, wenn sich Rheinhessen dazu entschließt, bald noch einen Zahn zuzulegen.
Titelbild © DWI
zuerst veröffentlicht in Falstaff Weinguide 2017