VON DER SPRACHE DES LANDWEINS

VON DER SPRACHE DES LANDWEINS

Baden ist eine großartige Weinregion, doch sie hat den Anschluss verpasst. Beginnt mit dem Landwein nun die Aufholjagd?

Kürzlich stellte ein Pfälzer Winzer seiner Empörung den Satz voran: Er müsse das jetzt einfach mal zur Sprache bringen. Der Leser war gewarnt. Der Winzer rechnete mit Gegenwind, der ihm auch heftig entgegenschlug. Umgefallen ist er nicht. Aus der Ferne war die Aufregung kaum zu verstehen, denn der Mann stellte lediglich einen Gemeinplatz auf den Prüfstand, stieß dabei auf Ungereimtheiten – und verschaffte sich Gehör. Wer etwas zur Sprache bringt, beglückt seine Zuhörer kaum mit frohen Botschaften, sondern hat sich mit einem Zustand auseinandergesetzt, den er nicht mehr bereit ist, weiter einfach so hinzunehmen. Er drückt etwas aus und beteiligt sich an der Gestaltung unserer Welt – auch an der Welt des Weins. In einer Branche, die von ihrer Tradition lebt wie vielleicht keine andere, kommt das selten gut an. Wo gerne mit viel Pathos über gelebte Tradition schwadroniert, in Wirklichkeit aber Bequemlichkeit verkauft wird, haben es unbequeme Geister meist schwer.

Doch ohne jene Anstachler und Pioniere stünde der deutsche Wein nicht da, wo er heute steht. Ohne sie hätte sich der Weinbau nach dem zweiten Weltkrieg nie mehr erholt, wäre Rheinhessen längst zu Ramschware geschrumpft oder der deutsche Rotwein ausschließlich Dornfelder: süß und unverkäuflich, aber zuverlässig im Ertrag. Kurzum, Deutsche Weine würde schon lange niemand mehr ernsthaft zur Sprache bringen, gäbe es nicht auch jene unermüdlichen Winzer, die vermeintliche Gemeinplätze als überholt, perspektivlos oder gar grundlegend falsch entlarven. Das sind dann übrigens nicht selten auch jene, die ihre Tradition lebendig erhalten, weil sie alte Gewohnheiten hinterfragen und bisweilen mit ihnen brechen. Einer der gerade eine Stinkwut auf die gelebte Tradition in seiner Heimat hat, heißt Hanspeter Ziereisen.

Ziereisen ist nicht der einzige Winzer in Baden, der diese Rückständigkeit mit Argwohn betrachtet, er gehört nur zu den wenigen, die ihre Kritik auch offen zur Sprache bringen

Der heute 49-jährige Winzer war Schreiner, bevor er in den neunziger Jahren den Mischbetrieb seiner Eltern im Markgräflerland übernahm und zu einem der angesehensten Weingütern Deutschlands führte. Der Autodidakt Ziereisen ist nicht nur für seine exzellenten Weine bekannt, sondern auch für seinen Hang, Dinge zur Sprache zu bringen, über die sonst gerne stillschweigend hinweggegangen wird. Vielleicht ist Ziereisen sogar der prominenteste Zur-Sprache-Bringer, den Deutschlands südlichstes Anbaugebiet seit Franz Keller hervorgebracht hat, oder sagen wir vielleicht besser: nicht verhindern konnte. Der 2007 verstorbene Franz Keller war polyglotter Winzer, Gastronom und Weinhändler mit einer nachdrücklichen Affinität zu Frankreich, dem Mutterland großer Weine. Es nimmt nicht wunder, dass auch heute viele der besten deutschen Weine von Winzern stammen, die ihre Vorbilder nicht nur in der Grande Nation fanden, sondern auch regelmäßig besucht und von ihnen gelernt haben. Auch Ziereisen fand dort seine Meister.

Keller beklagte bereits in den siebziger Jahren die schlichte Qualität badischer Weine. Mit dem, was sich damals in gewaltigen Mengen und meist süßem Geschmack als »Badisch Rotgold« an nicht enden wollende Touristenströme erfolgreich verkaufen ließ, wollte sich der vielgereiste Connaisseur jedenfalls nicht zufriedengeben. Leidenschaftlich und antizyklisch trat Keller für niedrige Erträge und durchgegorene Weine ein. Seine unpopuläre Haltung traute schon damals den trockenen Burgundern großes Potenzial zu, die heute den größten Teil Badens Weinproduktion ausmachen. Mehr noch: Sie sind zum Aushängeschild einer Region geworden, die sich auf einem schmalen Streifen von über 400 Kilometer Länge vom Bodensee bis nach Tauberbischofsheim erstreckt und schon naturgemäß kein einheitliches Profil zulässt. Dass Baden dennoch einen Ruf als Burgunderland besitzt, ist dem »Rebell vom Kaiserstuhl« zu verdanken.

Die Goldgräberstimmung ist vorbei

»Kein Gewicht, kein Gesicht«, diagnostiziert Hanspeter Ziereisen den Zustand seiner Heimatregion heute.

 

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Rund 40 Jahre später beklagt Ziereisen, dass Kellers Kredit schon lange verspielt sei. »Kein Gewicht, kein Gesicht«, diagnostiziert er den Zustand seiner Heimatregion heute. Dabei könnten die Zeiten doch besser nicht sein: Über deutschen Wein wird wieder gesprochen, geschrieben, diskutiert. »Schon richtig«, sagt Ziereisen. Doch das gelte vor allem für Regionen, die sich in den letzten Jahren neu erfunden und damit auch ihre Tradition lebendig gehalten haben. In der Pfalz oder in Rheinhessen etwa seien in den letzten Jahren gewaltige Fortschritte gelungen, weil eine Generation nachgewachsen sei, die ihre Probleme erkannte, deutlich zur Sprache brachte und gravierende Veränderungen einleitete. Nirgendwo seien Vielfalt und Qualitätsdichte heute höher als dort. Baden indes erlebt Ziereisen als rückständig und stockkonservativ. »Vielleicht ist der Leidensdruck einfach noch nicht groß genug«, vermutet er.

Dabei ist die Goldgräberstimmung der siebziger Jahre schon lange vorbei, als man die eigenen Trauben im Nebenerwerb noch für gutes Geld an die örtliche Genossenschaft losschlagen und damit sein Eigenheim finanzieren konnte. Heute reichen die Auszahlungspreise kaum noch aus, um die eigenen Anlagen in Schuss zu halten. Winzer im Nebenerwerb sind eine aussterbende Spezies. Rund Dreiviertel Badens Weinbaufläche wird von Genossenschaften bewirtschaftet, die nur schleppend und stark zeitversetzt auf veränderte Marktsituationen reagieren. Kleine Winzervereine gingen in schlagkräftigen Genossenschaften auf, die ihr Überleben mit gigantischen Mengen aus massenkompatiblen Weinen im unteren Preisniveau sichern. Rationalisierung statt Reformierung.

Die Aufbruchsstimmung vieler deutscher Anbaugebiete scheint in Baden nie angekommen zu sein, wo es fast altersstarrsinnig auch heute noch heißt: »Badischer Wein – von der Sonne verwöhnt«. Bei seiner Einführung vor rund 40 Jahren war der Slogan ein echter Coup, weil er Wein und Tourismus zukunftsweisend unter einen Hut brachte, heute ignoriert der gleiche Satz den Klimawandel und zitiert dazu die Bildästhetik eines Neckermann-Katalogs mit deutlichem Hang zum Grellgelb. Mit Genuss hat das nichts am Hut, mit Stillstand und Larmoyanz sehr wohl. Die Touristenströme der siebziger Jahre sind lange versiegt, und manch ein Winzer wünscht seinen Reben viel öfter kühlenden Schatten als glühende Sonne.

Ziereisen ist nicht der einzige Winzer in Baden, der diese Rückständigkeit mit Argwohn betrachtet, er gehört nur zu den wenigen, die ihre Kritik auch offen zur Sprache bringen. Er kann sich Narrenfreiheit erlauben. Seine Weine sind weit über die eigenen Grenzen bei Händlern und Restaurants mit besten Referenzen gelistet. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn weitaus bequemer wäre es für ihn, sich entspannt zurückzulehnen und die Situation in abfälliger Arroganz von oben herab zu kommentieren. Doch Ziereisen ist ein unbequemer Geist und kein kalter Egoist. Er bringt Dinge in Gang und Gleichgesinnte an einen Tisch. Auch Sven Nieger, der vor rund drei Jahren in einer ebenso landschaftlich reizvollen wie weinwirtschaftlich darbenden Region bei Baden-Baden ein riskantes Startup-Unternehmen gründete.

Eigenwillig und mutig:

Sven Nieger glaubt an das Potenzial einer Region ohne Renommee und sorgte mit seinen knochentrockenen Rieslingen schnell für Aufmerksamkeit in der Szene.

Der gute Ruf, den vor allem die Rieslinge dort einmal genossen, war da schon lange durch Missmanagement und Landflucht aufgebraucht, die hiesige Genossenschaft aufgegeben. Nieger glaubte an das Potenzial einer Region ohne Renommee und sorgte mit seinen knochentrockenen Rieslingen schnell für Aufmerksamkeit in der Szene. Doch sein eigenwilliger Stil bereitete ihm zusehends Probleme mit den zuständigen Prüfstellen.

Ziereisen wundert das nicht. Als mit der Einführung des Weingesetztes 1971 nicht nur etliche exquisite Weinlagen durch maßlose Annexionen auf profitable Größen aufgeblasen und ihrer Charaktere beraubt wurden, schrieb der Gesetzgeber im gleichen Zug auch sensorische Prüfungen für Qualitäts- und Prädikatsweine obligatorisch vor, um fehlerhafte Weine vom Markt fernzuhalten und mit der Vergabe der sogenannten Amtlichen Prüfnummer (A.P.-Nummer) für gleichbleibende Qualitäten zu sorgen. Ungewollt leisteten diese Prüfungen aber auch der Normierung des Weingeschmacks Vorschub, weil sie die Güte eines Weins an seiner Unauffälligkeit maßen. Grob gesagt, erzielen dabei nämlich jene Weine die besten Ergebnisse, die am wenigsten von der Norm abweichen.

»In Baden«, meint Ziereisen, »hat sich weder an der Normierung noch an ihrer Interpretation seit der Einführung vor 45 Jahren wirklich etwas geändert.« Und das sei schon allerhand. Wo heute wieder über Individualität gesprochen werde, über die Möglichkeiten eines Winzers, die Herkunft so unverfälscht wie möglich in seinen Weinen abzubilden, seien solche Entwicklungen an den zuständigen Prüfstellen nicht spurlos vorbeigegangen. Die Definition der Mängel sei dort heute weitaus differenzierter.

In Baden indes sei die Zeit stehen geblieben. Sprache erzeugt Gegenwart, genauso wie man mit ihr in der Vergangenheit verharren kann. Und natürlich beginnt mit ihr die Zukunft, sobald man etwas wirkungsvoll zur Sprache gebracht hat. Niegers Weine wurden von der zuständigen Prüfstelle gleich reihenweise abgelehnt. »Der Wein wird beanstandet wegen mangelnder Reintönigkeit (…)«, stand dann oft in dem Bescheid. Anfangs konnte sich der 34-Jährige noch darüber amüsieren.

Weil die Behörde mit ihrer Meinung ziemlich allein dastand, würde sich das mit der Zeit schon von alleine geben, so seine Hoffnung. Doch die trog. Wieder und wieder verfehlten Niegers Weine die Mindestqualitätszahl. Er geriet nun zunehmend auch wirtschaftlich unter Druck, weil er Liefertermine nicht einhalten konnte, wenn einer seiner Weine mal wieder als »nicht verkehrsfähig« eingestuft wurde. Im Kellerbuch korrekt vermerkt und ohne analytische Beanstandungen, scheiterten sie stets an der sogenannten Sinnenprüfung.

Womöglich hält Nieger sogar einen skurrilen Rekord: Sage und schreibe achtmal stellte er einen Rosé an, bevor die Prüfungskommission schließlich im neunten Versuch die Mindestpunktzahl vergab. »Bevor es dazu kam«, erzählt Nieger, »habe ich aber noch Besuch von einem Weinkontrolleur bekommen, der sich gründlich in meinen Kellerräumen umsah. Er hat wohl nichts gefunden.«

Es geht es nicht um Ablehnung bestimmter Weinstile, sondern um deren Verständnis.Herbert Krebs

Beim Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg, das für die Prüfung der Weine zuständig ist, gibt man die Namen betroffener Weingüter grundsätzlich nicht bekannt, ist aber zu einem Gespräch gerne bereit. Der Leiter der Qualitätsweinprüfung hieß bis zu seiner Pensionierung im letzten Jahr Herbert Krebs. Er sitzt hinter einem so gewaltig großen Schreibtisch, dass es von der Mitte des Tisches zwei kräftige Schübe auf seinem Schreibtischstuhl braucht, bis er seinen PC erreicht. In den siebziger Jahren gab es so etwas noch nicht, so viel Platz auch nicht.

Man fragt sich unwillkürlich, was Krebs wohl mit dem vielen Platz so anfängt. Den Unmut mancher Winzer über die gegenwärtige Situation in Baden mag er jedenfalls nicht teilen und zitiert sogleich aus dem amtlichen Prüfungsbericht Badens für das Weinbaujahr 2015, wonach die Ablehnungen mit 2,5 Prozent gegenüber den Vorjahren unverändert gering geblieben seien. Krebs hat sich mit Statistiken gewappnet, aus denen er einen Ist-Zustand folgert: »Von Rückständigkeit und Intoleranz kann doch keine Rede sein. Alle Verkoster werden in regelmäßigen Schulungen auch mit solchen Weinen konfrontiert, die sich außerhalb der Norm bewegen. Da geht es nicht um Ablehnung bestimmter Weinstile, sondern um deren Verständnis.«

Ihren Platz als Weine außerhalb der Norm werden sie nach den Schulungen aber sicherlich genauso beibehalten, wie die Standards des Geschmacks weiter zum Repertoire der Verkoster gehören. Wenn ein Wein »granatenmäßig« stinke, sagt Krebs, könne man ihn nicht durch die Prüfung lassen. Da helfe selbst die Toleranz gegenüber der frugalsten Technik nichts, denn im Mittelpunkt stehe zuerst die Sicherung der Qualität. Beleg des hohen sensorischen Standards seiner Prüfstelle seien auch die fortgesetzten Treffen mit den Kollegen aus der Pfalz und Rheinhessen, wo man bei den Sinnenprüfungen stets zu vergleichbaren Ergebnissen komme. Worüber beklagt sich Ziereisen da eigentlich? Womöglich führt der hemdsärmelig und kumpelhaft auftretende Winzer einen Kreuzzug, den er nur noch des Kreuzzugs wegen führt. Seine Konfrontation mit der Behörde ist schon viele Jahre her. Sie war kurz und heftig.

Vielleicht ist der Leidendsdruck einfach noch nicht groß genug.Hanspeter Ziereisen

Moderne Kühltechnik und eine wachsende Auswahl von Zuchthefen führten ab den neunziger Jahren zu Weinen, deren Sorten sich immer mehr an bestimmten Früchten manifestierten. Fortan verknüpfte man etwa den Grauburgunder mit Melonen, den Riesling mit Aprikosen oder den Silvaner mit Birnen. Wichen die Weine stark von diesen Aromen ab, verweigerte man ihnen in der Folge auch ihre Amtliche Prüfnummer. Ziereisen indes wollte nicht einsehen, dass man Wein nicht auch heute so bereiten kann, wie es seine Vorfahren schon immer getan haben. Kühlung und selektionierte Hefen standen damals nicht zur Verfügung, also verzichtete Ziereisen darauf. Seine Weine gerieten würzig, ermangelten fast jeder Frucht und zogen die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf sich. Als ihnen eine Amtliche Prüfnummer verweigert wurde, zögerte Ziereisen nicht lange und stufte sein gesamtes Sortiment auf die Güteklasse »Landwein« herab. Die vorletzte Stufe im deutschen Weinrecht garantiert zwar die Herkunft des Weins aus dem angegebenen Gebiet, erfordert jedoch keine sensorische Prüfung.

Ziereisens Weine haben bei vielen ambitionierten Winzern heute genauso Vorbildfunktion wie seine konsequente Haltung. Indes wird der Löwenanteil Badens Produktion von Winzergenossenschaften auf der Großfläche und über den Preis als verlässlich fruchtiger Trunk ohne Eigenschaften losgeschlagen, bei dem die Erteilung einer Amtlichen Prüfnummer gleichsam zur Tautologie gerät. Weine außerhalb dieser Norm sind folglich selten und laufen schnell Gefahr, von den Prüfern abgelehnt zu werden, wenn auf eine Reihe Rieslinge mit verlässlicher Fruchtfolge etwa ein Wein folgt, der stark vom Muster im Kopf abweicht und sich dem Verkoster mit ganz und gar ungewohnten Aromen offenbart. Für eine eindeutige Beschreibung der Mängel, fehlen ihm nicht selten die Worte, weshalb er sich in seiner Begründung mit einem »Mangel an Reintönigkeit« behilft. Den Rieslingen von Jürgen Fendt erging das so.

Mit seiner Frau Maren betreibt Fendt das Boutique-Projekt »Fendt Weinfamile«

Ungewöhnliche Weine machen stets nur einen geringen Anteil der Produktion in einer Region aus. Das liegt in der Natur einer Delikatesse.

Als langjähriger Chef-Sommelier des 3-Sterne Restaurants »Bareis« und Teilnehmer unzähliger Wettbewerbe verfügt Fendt über einen unermesslichen Erfahrungsschatz. Vor ein paar Jahren rief er gemeinsam mit seiner Frau Maren, ebenfalls gestandene Sommelière, das Boutique-Projekt »Weinfamilie Fendt« im Baden-Badener Weinland ins Leben, da waren die Ansprüche von Anfang an hoch. Ihr Ziel waren Weine mit Reifepotenzial, die bei ihrer Entstehung viel Geduld, aber kaum Technik erfordern und offenbar so gar nicht in das Freiburger Verkoster-Schema passen wollten. In Krebs‘ Universum spielen solche Weine keine Rolle. Ihre homöopathische Produktionsmenge richte sich ausschließlich an ein paar Weinverrückte, sagt er und gibt zu bedenken: »Der normale Verbraucher kann mit solchen Weinen doch überhaupt nichts anfangen.« Der »normale Verbraucher«, viel zutrauen mag Krebs ihm nicht. Über Jahrzehnte mit fruchtig-saftigen Weinen konditioniert, möchte man den »normalen Verbraucher«, so scheint es fast, von anderen Fährten möglichst fernhalten.

Dabei machen ungewöhnliche Weine stets nur einen geringen Anteil der Produktion in einer Region aus. Das liegt in der Natur einer Delikatesse, sie als unbedeutend abzutun, zeugt ebenso von einer gewissen Ignoranz wie Krebs‘ Empfehlung, in solchen Fällen auf die Angabe der Rebsorte doch am besten ganz zu verzichten. Das erspare dem Winzer Ärger und der Prüfstelle unnötige Arbeit. Fendt hatte sich da schon für den »Landwein« als Güteklasse bei seinen Weinen entschieden. Auch Nieger hatte die Faxen irgendwann dicke und etikettiert seine Flaschen künftig mit dieser Bezeichnung. Einige mehr werden sicher noch folgen, denn es rumort in Baden.

In der französischen Weinsprache gibt es übrigens das Wort »reintönig« überhaupt nicht, es scheint eine exklusiv deutschsprachige Eigenschaft zu sein, die viel mehr verbietet als zulässt. Lobt der Franzose die Reinheit eines Weins, lässt er sich allenfalls zu einem »franc« hinreißen, was viel mehr ausdrücken kann, als das kleine Wort eigentlich bedeutet. So steckt auch der »Landwein« in Baden heute wieder voller Möglichkeiten, weil einige Winzer nicht mehr länger bereit waren, einen Zustand einfach so hinzunehmen. Bei ihnen wird der »Landwein« wieder wörtlich verstanden und von den Fesseln eines Weingesetzes befreit, das ihn auf eine mindere Qualität festnagelte. Alles beginnt mit der Sprache, auch mit der Weinsprache. Man muss es nur zur Sprache bringen.

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