TAKTSTOCK DER NATUR

TAKTSTOCK DER NATUR

Wie die Geschichte der Fußer-Brüder ausgeht, will man gar nicht wissen, wenn man sie Staffel für Staffel auf ihrem Weg begleitet

»Unsere Geschichte?« fragt Martin Fußer zurück, zuckt als Ausdruck entspannter Bescheidenheit weniger ratlos als lässig mit den Achseln und sucht in seinen Erinnerungen nach einer geeigneten Variante aus der ersten Zeit ihrer noch unvollendeten Geschichte. Die beginnt im Jahr 2007, als zwei von Naivität betäubte Brüder mit unerschütterlichem Gründergeist ihr eigenes Weingut in Deidesheim aus der Taufe heben. Zu Weihnachten setzen ihre Eltern ein Zeichen und schenken jedem Sohn einen Immervolltank. Aus Omas verwaisten Schuppen mit musealen Gerätschaften bekommen sie eine knuffige Korbpresse spendiert, die sofort unter der Parole: je höher der Pressdruck, desto höher die Saftausbeute zum Einsatz kommt. Fußers Geschichte ist seitdem um viele Episoden reicher geworden, hat an Umfang und Inhalt ordentlich zugelegt. Rund 12,5 Hektar bewirtschaften der 34-jährige Martin und sein zwei Jahre jüngerer Bruder Georg Fußer heute als zertifizierter biologisch-dynamischer Betrieb. Beide tragen Vollbärte, die aber weniger hip als einfach nur naturbelassen aussehen und sich einzig in der Farbe wesentlich voneinander unterscheiden: Martins wächst dunkelblond, der seines Bruders pechschwarz.

Wo die Sonne jetzt jeden Tag etwas früher hinter einer Hügelkette verschwindet und sich ein großer Schatten schützend über den Paradiesgarten legt, bleiben die Säuren im Riesling länger frisch, während die Frucht bis spät in den Herbst ausreifen kann.

»Mit der Biodynamie«, sagt Georg, »haben wir ein neues Kapitel in unserer Geschichte aufgeschlagen und einen Prozess im Weinberg eingeleitet, der uns fordert und fördert.« Wie die Geschichte der Fußer-Brüder ausgeht, will man gar nicht wissen, wenn man sie Staffel für Staffel auf ihrem Weg begleitet. Wenn Martin wieder einmal von den Anfängen erzählt und mit den letzten Ereignissen zu einem vorläufigen Ende kommt, wird auch der Ort zum Teil dieser Geschichte. Wo die Sonne jetzt jeden Tag etwas früher hinter einer Hügelkette verschwindet und sich ein großer Schatten schützend über den Paradiesgarten legt, bleiben die Säuren im Riesling länger frisch, während die Frucht bis spät in den Herbst ausreifen kann. Ihren besten Wein nennen die Fussers »No1«, dem der Name der Lage auf dem Etikett und intensive Beobachtungen in den Weinbergen vorausgehen.

Ihren besten Wein nennen die Fußers »No1«, dem der Name der Lage auf dem Etikett und intensive Beobachtungen in den Weinbergen vorausgehen.

Die Fußers lassen ihre Entscheidung ausreifen und belassen den Taktstock der Natur. Zu der auch etwa 30-jährige Reben zählen, die ihren Ertrag im Laufe der Zeit selbst nach unten regulierten. Von Maßnahmen mit der Schere halten die Brüder nichts, weil das Gefüge der Trauben so erneut in die falsche Richtung verschoben wird. Fussers Ansatz heißt abwarten. Langsames Wachstum ohne Düngung benötiget einige Jahre Geduld, bis die Reben einen Ertrag erbringen und sich schließlich auf einem niedrigen Niveau eingependelt haben. Überdies sind Winzer, die sich nach ihren Pflanzen richten, äußerst rar gesät, nicht zuletzt deshalb, weil es bisweilen eine lange Zeit braucht, bevor sich Geld mit ihnen verdienen lässt. Die Fußers sind noch jung und trotzdem über diese Phase schon lange hinweg. Ihre »No1«-Weine können sie nun mit einer Verzögerung von rund zwei Jahren auf den Markt bringen. Oder genau dann, wenn ihre Zeit reif ist.

Fotos Weingut Fußer

zuerst veröffentlicht in Falstaff Weinguide 2017

 

Weingut Fußer

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