Foto Weingut Fritz Waßmer
SCHÖNER EINSCHENKEN
Das Weinmagazin Vinum schickte mich neulich los, um Vinotheken zu erkunden. Ich wurde fündig.
Weingut Fritz Waßmer, Bad Krozingen Schlatt, Baden
Opas antiker Kronleuchter hängt noch etwas verloren an einer niedrigen Decke in einem offenen Raum, der einmal ein hübsches Séparée werden könnte. Der richtige Tisch, die passenden Stühle müssen noch gefunden werden. Sich finden lassen, muss es besser heißen, denn Waßmers neue Vinothek scheint so etwas wie ein lebendiger Organismus zu sein. Wer die ehemalige Scheune heute betritt, wird dabei sofort von einer mondänen Gemütlichkeit eingehüllt. Das mag im Winter freilich auch an dem XXL-Kamin liegen, der keinerlei Mühe hat, die riesige Räumlichkeit mit einer anheimelnden Wärme zu fluten
Spätburgunder auch im Sommer
Dass die Feuerstelle eigens für die Vinothek konstruiert wurde, merkt man ihr nicht an. Sie tut ihr loderndes Werk, als würde sie es dort schon immer tun. Freilich ist Waßmers 2015er »XXL« Spätburgunder in dieser Wohlfühlatmosphäre ein sicherer Tipp. Wer es weniger kraftvoll mag, sei der formidable Spätburgunder Gutswein aus gleichem Jahr empfohlen. Auch im Sommer, wenn die Hitze dank dicker Mauern draußen bleibt.
Foto Weingut Rebenhof
Rebenhof Riesling Manufaktur, Ürzig, Mosel
Der Hochmoselübergang in Ürzig steht kurz vor seiner Fertigstellung. Wer Johannes Schmitz besucht, kann sich von ihm sowohl technisch als auch politisch auf den neuesten Stand dieses stählernen Ungetüms bringen lassen. Aus dem führenden Mitglied der letztlich erfolglosen Bürgerinitiative »Pro Mosel« tönt viel Groll, aber auch eine gewisse Faszination für Technik. Geradezu lachhaft mutet es da an, welchen Gegenwind Schmitz vor rund acht Jahren bekam, als er seine neue Produktionsstätte nebst Vinothek inmitten des Ürziger Würzgartens eröffnete. Ein anthrazitfarbener moderner Bau mit klaren Linien, der sich harmonisch in die Landschaft einfügt.
Das Wort »Verschandelung« bekommt ganz neue Dimensionen
Diese Landschaft aber würde der verschandeln, bekam er damals nicht selten von beiden Seiten der Mosel zu hören. Steht man heute vor seiner Vinothek, deren monströser Rahmen nun der Hochmoselübergang bildet, bekommt das Wort »Verschandelung« ganz neue Dimensionen. Schmitz‘ funktionale Manufaktur wirkt dagegen fast zerbrechlich. Groß freilich war sie nie, bietet ausreichend Platz für Kellerei, Büro, Präsentationen, zuweilen auch für Konzerte und Ausstellungen, ist eine kleine, aber feine Komposition aus Schiefer, Eichenholz, Glas und Stahl. Viel wichtiger ist jedoch der Mensch, der sie belebt. Mit Schmitz‘ trockenen 2016er Riesling Spätlese aus dem Erdener Treppchen lässt sich nichts schön trinken. Im Gegenteil: Ihre fragile Präzision lässt den Blick nur noch genauer werden. Schmitz lebt und liebt seine Heimat wie kein zweiter. Auch in seinem neuen, megalomanischen Rahmen, der seiner ganz und gar nicht ist.
Foto Rüdiger Mosler
Weingut Wasem, Ingelheim, Rheinhessen
Einst wurden »unverheiratbare« Jungfern in das ehemalige Kloster Engelthal verbracht. Aus dem Kloster wurde eine Mühle. Die wiederum wurde irgendwann zurückgebaut, das Gebäude vergessen. Von ihrem Stammhaus konnte die Winzerfamilie Wasem den Verfall des ehemaligen Zisterzienserinnen-Klosters über viele Jahre beobachten. Dann trat der Familienrat zusammen und entschied sich für den Kauf des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes. Da stand eine nachrückende Generation bereits in den Startlöchern: Julius und Philipp sind heute studierte Önologen, ihr Bruder Gerhard Betriebswirtschaftler für Hotel- Gastronomiemanagement. Eine Bilderbuchkonstellation.
Den Übergang von Vergangenheit zur Moderne schaffen
2009 war der Kaufvertrag unterzeichnet und die Umbauarbeiten konnten beginnen. Sie sollten gut drei Jahre dauern. Wenn hier also über Vinotheken im Speziellen die Rede ist, darf man sich beim fertigen Projekts der Wasems eine Wein-Erlebnis-Welt vorstellen. Dabei wurde sensibel darauf geachtet, das Erscheinungsbild des Klosters aus dem 12. Jahrhundert so wenig wie möglich zu verändern. Den Übergang von Vergangenheit zu Moderne schaffen heute große Schilder aus verwitterten Stahl, die beide Gebäude wörtlich und bildlich miteinander verbinden. »Julius Wasem & Söhne Weinbautradition seit 1726« steht auf dem vor dem Eingang. Im Innenhof des Klosters findet sich ein weiteres mit der Aufschrift: »Kloster Engelthal Haus des Weines«. Wo früher Verzicht das oberste Gebot war, darf heute nach Herzenslust probiert, gegessen und gefeiert werden. Wenn das die »Unverheiratbaren« wüssten. Vom exzellent gereiften Ingelheimer Frühburgunder aus 2013 ganz zu schweigen.
Foto Weingut Stodden
Weingut Stodden, Rech, Ahr
Alexander Stodden ist ein Hüne. Da kann schon mal etwas leicht aus der Balance geraten, wenn er sich dagegen lehnt. Ein Verkostungstisch etwa. Stodden machte deshalb keine halben Sachen und ließ seine aus reiner Grauwacke bauen. »Vier Männer braucht es, um so einen Boliden anzuheben«, sagt der Ahrwinzer. Gut 500 Kilo wiegt so ein Stück zu Funktion modelliertes Gestein. In Gabionen gefasst, findet es sich auch den Wänden wieder. Schiefer und Eiche sind weitere Materielaien, die nicht nur den Raum, sondern auch das Weingut und seinen Wein prägen. Wo der genau wächst, erfühlt der Gast regelrecht, wenn er einen Tunnel durchschreitet, der zu Stoddens zweiter Vinothek führt, und dabei gleichzeitig einen kleinen Spaziergang in seiner Spitzenlage Recher Herrenberg an einem Spätsommertag unternimmt.
Stoddens letzter Vinotheken-Coup
Beinahe maßstabsgetrau flutet das Bild eine Wand des langen Flurs. Für die fast perfekte Illusion sorgt ein auf Breitband-Folie gezogenes Foto, das rückwendig mittels LED-Leuchten eine erstaunlich lebensechte Atmosphäre erzeugt. 2016 eröffnet, ließe sich Stoddens letzter Vinotheken-Coup auch als eine über fünf Meter lange Ferrari-Teststrecken-Theke in Burgunderrot beschreiben, deren Ausmaß augenscheinlich auf den Hünen zugeschnitten worden ist. »Meine Mutter«, sagt Stodden, »schenkt hier nur ungern Wein aus.« Sie komme einfach nicht mit der Flasche an die Gläser. Und dann lacht er. Dieses warme, ripuarische Lachen. Da darf es dann auch mal ein Glas vom grandiosen 2015er Spätburgunder Flaggschiff »Alte Reben« sein.
Foto Wein- und Sektgut Barth / Christof Mattes
Wein- und Sektgut Barth, Hattenheim, Rheingau
Das Deutsche Museum für Wein steht seit rund vier Jahren in Hattenheim. Zugegeben, seine Größe fällt im Vergleich zum weltgrößten Technikmuseum in München bescheiden aus, doch sein Ansatz, dem interessierten Laien die Wein- und Sektherstellung (be)greifbar zu machen, ist durchaus vergleichbar. Da gibt es etwa eine Quiz-Wand, deren Bausteine sich drehen lassen, um die richtig Antwort auf eine Frage zu erhalten. »Wie viele winzige CO2 Bläschen befinden sich in einer 0,75 Liter Sektflasche?«, heißt es an einer Stelle. Drückt man die Holztafel nun herum, erscheint auf ihrer Rückseite die Antwort: »100.000.000«. Als flüssiges Beispiel sei an dieser Stelle der weinige 2011 Hattenheim Schützenhaus Riesling brut nature genannt. »Nein«, sagt Mark Barth, »nachgezählt haben wir nicht.« Doch in Kenntnis des bei der Flaschengärung entstehenden Drucks und Alkohols ergebe sich eine Formel, mit der sich die Anzahl der Bläschen grob berechnen ließe.
Alle handgerüttelt, versteht sich.
Dass der Sektherstellung in Barths Vinothek besonderes Augenmerk geschenkt wird, ist nicht verwunderlich, das Haus ist schon lange für exzellente Schaumweine bekannt. Alle handgerüttelt, versteht sich. Für Tageslicht in der Vinothek sorgen drei Dachluken, deren Positionen sich an den Großen Gewächs-Lagen des Weinguts orientieren: Mit dem Wisselbrunnen in östlicher, der Hassel in nordöstlicher und der Schönhell in nordwestlicher Ausrichtung. Wem das im wahrsten Sinn nicht einleuchten mag, wirft einen Blick auf die großzügige Theke unter den Lichtschleusen. Deren Front schmückt der Verlauf des Rheins. Nebst Barths Großen Lagen.
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zuerst veröffentlicht in Vinum 04/2018