ES WIRD SCHON KEINER MERKEN

ES WIRD SCHON KEINER MERKEN

Franken hat sich seinen Platz in die Spitzengruppe deutscher Weißweine zurückerobert, die Ergebnisse beim diesjährigen Wettbewerb »Best of Gold« spiegeln diese Entwicklung nur selten wider

Spät am Abend habe ich mich fast noch mit einem Jurymitglied in die Wolle gekriegt. Der junge Mann echauffierte sich über einen Blaufränkisch in seiner Finalrunde. Grün und fehlerhaft sei der gewesen, weshalb er den Wein mit elf Punkten abgewatscht habe. So gehe es ja nicht. Da ich den gleichen Flight zu bewerten hatte und es nur einen Blaufränkisch gab, wusste ich natürlich über welchen Wein er sprach. Meine Wahrnehmung indes war eine gänzlich andere. Tatsächlich entsprach der Wein meiner Vorstellung von einem Pfeffer- und Wacholder-würzigen Blaufränkisch ziemlich genau. Straff und körnig in seiner Art gab es überhaupt nichts zu meckern. Im Gegenteil.

Allzu sehr überraschen konnten mich seine sensorischen Tiraden ohnehin nicht mehr, denn was ich wenige Stunden zuvor als Sieger-Weine probieren durfte, glich zum großen Teil einer Mengenlehre der Langeweile. Franken hatte also seine Sieger. Er sei jedem einzelnen gegönnt. Ich bin sogar sehr dafür, wenn aus einer Blindprobe nicht einzig Weine für Freaks, sondern auch solche für die gemeinen Zecher hervorgehen. Diese Auswahl hingegen geriet zu einer apallischen Phalanx.

Wer hätte ahnen können, dass nach der gemütlichen Vorrunde am Morgen im Finale eine Varusschlacht unter den Verkostern wüten würde. Der Feind schlich sich an, schlug zu – und am Ende schaffte es kein einziger meiner Favoriten ins Ziel. In Franken zählt »Best of Gold« zu den angesehensten Weinwettbewerben überhaupt, der heuer mit 363 Weinen von 93 Weingütern eine Rekordbeteiligung verzeichnete. Mit entzückendem Blick über die Weinberge nach Würzburg bot das Schlosshotel Steinburg eine geradewegs märchenhafte Umgebung. Der fränkische Weinbaupräsident Artur Steinmann verlieh nimmermüde seiner ewigen Hoffnung in allerbester Laune Ausdruck: »Es wird schon einer merken, dass wir gut sind.« Dabei tut die vielbeschworene fränkische Bescheidenheit gar nicht mehr Not.

Wer hätte ahnen können, dass nach der gemütlichen Vorrunde am Morgen im Finale eine Varusschlacht unter den Verkostern wüten würde

Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass Franken weit mehr ist als in Bocksbeutel gefüllte Folklore. Geht es heute um trockene Weißweine, die ihre Herkunft präzise ausdrücken können, kommt man am Silvaner nicht vorbei. Bedenkt man den miserablen Ruf, den die Sorte noch bis vor gar nicht langer Zeit hatte, ist das schon eine beeindruckende Leistung. Wie keine andere Region musste sich Franken am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen. Trotz schlechtem Image und schleppender Vermarktung ließ man nicht ab von seiner Traditionssorte und füllte sie weiterhin stur in Bocksbeutel, die keiner mehr haben wollte.

Es hat sich seitdem eine Menge getan. Wenn der Umgang der Winzer mit ihren Böden in den letzten Jahren sorgsamer geworden ist, rückte auch die fränkische TRIAS wieder in den Vordergrund. Nirgendwo sonst auf der Welt gehen Formationen aus Buntsandstein, Keuper und Muschelkalk fast nahtlos ineinander über. Sie sind das Pfund, mit dem Franken wuchern kann. Und dann das. Die Verkoster fanden sorgfältig avinierte Gläser an ihren Plätzen vor, die flink und mit Liebreiz von fränkischen Weinprinzessinnen befüllt wurden.

Selten habe ich eine Verkostung besser organisiert und entspannter erlebt. Woran mag’s also gelegen haben, dass die spannenden Weine an diesem Tage gleich reihenweise durchfielen? Bedauerlicherweise habe ich mir nur am Anfang die Nummern der Weine notiert, die mir besonders gut gefielen. Alle blieben sie auf der Strecke. Das exquisite Große Gewächs 2015 Silvaner am Lumpen 1655 von Horst Sauer genauso wie der aufregende Silvaner aus dem Betonei von der Landesanstalt in Veitshöchheim.

Woran mag’s gelegen haben?

Selten habe ich eine Verkostung besser organisiert und entspannter erlebt, doch die spannenden Weine fielen an diesem Tag gleich reihenweise durch.

Es mag hart klingen, aber die Jury von »Best of Gold« hat die Zukunft Frankens heuer abgewählt. Vielleicht waren einige Verkoster mit ihrer Aufgabe im Finale schlicht überfordert. Allein auf sich und ihre Gaumen gestellt, gab es nun keine Möglichkeit zum Austausch mehr. Womöglich sind da einige einfach auf Nummer Sicher gegangen. Wenn sie danach zu ihren Entscheidungen stehen, ist das völlig in Ordnung. Doch der Auswahl fehlen am Ende genau jene Weine, die Franken in letzter Zeit wieder spannend gemacht haben. Die Entscheidungen bei den vorderen Plätzen seien denkbar knapp ausgefallen, heißt es in der Pressemitteilung. Bedeutet das in letzter Konsequenz nicht auch, dass die Juroren ihre Meinung nicht klar genug gemacht haben? Fast scheint es so.

Natürlich waren unter den Gewinnern auch einige gute Weine. Aber wenn Artur Steinmann es ernst meint mit seiner Aufforderung: »Es wird schon einer merken, dass wir gut sind«, dann werden sich mit dem aktuellen Aufruf von »Best of Gold« möglicherweise weniger Menschen angesprochen fühlen. Wenn ich um die großartigen Weine in Franken weiß und darüber, wie viele dieser Erzeuger an diesem Wettbewerb teilgenommen haben, von denen es viel zu wenige ins Finale geschafft haben, muss mein Fazit leider lauten: Franken, ich erkannte dich kaum wieder.

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