AM HAUS MIT POOL

AM HAUS MIT POOL

Es gab honigsüßen Wein aus Kaiserstühler Rosinen, der 2CV fegte über die heiße Schotterpiste. Schöne Jahre am Haus mit dem leeren Pool

Damals wohnten wir in einem Haus mit einem Pool im Garten. Das Becken war nicht sehr groß, hätte aber für eine Abkühlung allemal gereicht, wenn es denn je mit Wasser gefüllt worden wäre. Unser Klassenlehrer hieß Herr Meyer und kam immer mit einem alten schwarzen Mofa zur Schule gefahren. Im Gepäckträger klemmte seine braune Ledertasche, die mindestens genauso alt war wie sein knatterndes Zweirad. Einmal hat er einen Schüler während des Unterrichts mit einem Stück Kreide beworfen. Der Junge fing augenblicklich an zu heulen, obwohl Herr Meyer ihn nicht einmal getroffen hatte. Das Haus mit dem Pool im Garten befand sich in unmittelbarer Nähe eines Industriegebiets, das an den Wochenenden zu einem Rallye-Parcours wurde, wenn wir hinter dem Lenkrad und unser Vater an den Pedalen und der Revolverschaltung unseres 2CV saßen und über den Schotter fegten. Das kleine Auto konnte sich abenteuerlich in die Kurven legen, kippte aber niemals um, obwohl sich das immer so anfühlte.

Es waren schöne Jahre in dem Haus mit dem leeren Pool im Garten. Einmal wäre es beinahe abgebrannt. Als wir die Neandertaler aus dem Abenteuerfilm »Am Anfang war das Feuer« nachgespielt und uns solange gegenseitig das Feuer geklaut haben, bis das strohtrockene Gebüsch gleich hinter dem Haus mit dem Pool im Garten lichterloh in Flammen aufging. Dort führte auch ein Bahngleis vorbei, auf das wir oft Groschen gelegt und auf den nächsten Zug gewartet haben, der früher oder päter die Münzen so dünn wie Aluminiumfolie walzen würde. Der Schriftsteller Bodo Kirchhoff schrieb in jenem Sommer an eine fiktive Geliebte in Thailand: »Eine Hitze wie bei Euch in Bangkok«, und die Bild titelte: »Braun ist die Heide – kein Wasser, sie dörrt.« Markisen gingen weg wie warme Semmeln, als die Temperaturen auf über 40 Grad kletterten und die Kartoffeln kaum größer als Tischtennisbälle wurden. Seitdem es Wetteraufzeichnungen gab, war ein Sommer hierzulande nie heißer, nie trockener.

Wir saßen auf einem Stapel alter Sitzkissen hinter dem Lenkrad und fegten über den heißen Schotter. Unser Vater hantierte an der Revolverschaltung unseres 2CV herum und wuchtete seine Beine über den Beifahrersitz zu den Pedalen. Das kleine Auto konnte sich abenteuerlich in die Kurven legen, kippte aber niemals um. Obwohl sich das immer so anfühlte.

Zu dieser Zeit hieß der Grauburgunder in Baden noch Ruländer und wurde in diesem Jahr zügig zu Rosinen. Das Weingut Bercher musste nicht lange überlegen, um aus seinen Kaiserstühler Rosinen eine Trockenbeerenauslese zu bereiten, die mehr als drei Jahrzehnte später so dunkel und geruhsam wie Grafschafter Goldsaft ins Glas fließt, aber wie ein hochfeiner Pedro Ximénez mit extra viel dunkler Schokolade schmeckt. Als wir in dem Haus mit dem leeren Pool im Garten lebten, hätte mir so ein Trunk bestimmt auch schon köstlich geschmeckt. Vielleicht hätte ich sogar zwei Kugeln bestes Vanilleeis mit dieser Delikatesse nappiert. Was nicht die schlechteste Wahl bei dieser Bullenhitze gewesen wäre. Den Reben setzte dieser Wüsten-Sommer am Ende offenbar weit weniger zu als den Kartoffeln oder der Heide. Denn am Ende wurde es eine der reichsten deutschen Weinernten aller Zeiten. Berchers Rosinen-Ruländer ist einer von vermutlich nicht mehr allzu vielen Weinen, die dieses Jahr noch heute so lebhaft bezeugen können. Seine Geschichten wird er bis zur allerletzten Flasche erzählen. Hellwach bis zur Neige.

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